Prinz Zerbino oder die Reise nach dem guten Geschmack by Tieck Ludwig

Prinz Zerbino oder die Reise nach dem guten Geschmack by Tieck Ludwig

Autor:Tieck, Ludwig
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00


Siebte Szene

Wald.

Der Waldbruder und Helikanus.

WALDBRUDER.

Wie treff' ich Euch an dieser Stelle wieder?

HELIKANUS.

Es treibt mich mein Gemüt durch diese Wälder

Im Irren auf und ab, bald bin ich hier,

Bald wandl' ich meinen Weg zurück, und immer

Verwirr' ich mich nur tiefer in den Zweifeln.

WALDBRUDER.

So geht es uns, wenn wir auf Hat nicht achten,

Des Freundes Stimme nicht vernehmen wollen.

Dein irrer Sinn, er würde schnell geheilt,

Wenn du dich der Natur und der Betrachtung

Der Wunderwerke Gottes widmen wolltest.

HELIKANUS.

Es ist nicht mehr in mir der alte Schmerz,

Der mich zuerst in diesen Wald geführt,

Ein neues Feuer brennt in meinem Herzen.

WALDBRUDER.

So hat die eine Torheit wohl bei dir

Die andere geheilt, So geht's dem Menschen!

Er glaubt sich oft von jeder Macht verlassen,

Daß Erd' und Himmel auf ihn zürnen und

Die Torheit nimmt ihn in den Mutterarm,

Bereitet ihm den liebevollsten Trost.

HELIKANUS.

Du kennst die Menschheit weder, weder mich,

Zu eilig bist du immer, Rat zu geben,

Urteil zu fällen.

WALDBRUDER.

Nun, so rede endlich.

HELIKANUS.

Als ich dich hier an dieser Stelle ließ,

Da eilt' ich fort und kam in eine Gegend,

Auf die des Himmels Wonne sich gesenkt,

Die süßesten Gesänge wohnten dort,

Ich fand die Heimat meines Herzens endlich.

WALDBRUDER.

Was war es denn, das dich so hoch entzückte?

HELIKANUS.

Du lächelst wohl, wenn ich ein Mädchen sage?

WALDBRUDER.

Ich hatte diese Antwort schon vermutet.

HELIKANUS.

Ihr faßt es nicht, wenn ich sie Euch beschreibe.

WALDBRUDER.

Erspare dir, ich bitte dich, das Schildern!

HELIKANUS.

Und daß sie mich nicht liebt, ach, daß sie kaum,

Wie ich sie liebe, zu bemerken scheint!

WALDBRUDER.

Und wo, mein Sohn, ist deine erste Liebe?

Ja, so ist stets der Jugend Unbestand!

HELIKANUS.

Sprich nicht, mein Freund, wenn du nicht fühlen kannst,

Was helfen deine Worte? Glaubst du mich mit diesen.

Mit luftgewebten Banden von der Schönheit,

Die mich magnetisch kräftig an sich zieht,

An die das Schicksal mich geschmiedet hat

Und die mich ewig festhält, – loszureißen?

WALDBRUDER.

Die Worte sind als Worte ohne Kraft,

Und dennoch können sie den Sinn beherrschen,

Die Leidenschaft empören und besänft'gen,

Wenn sie der Mund mit jener Kraft gebraucht,

Die, wie die Zeichen eines Zaubermeisters,

Urkräftig stets auf Herz und Seele wirken.

HELIKANUS.

Unmöglich kann ihr Bild dem treuen Herzen

Noch Menschenkraft, noch Zauberspruch entreißen.

WALDBRUDER.

Und warum wütete so heftig jüngst

In deiner Brust die wilde Leidenschaft?

HELLKANUS.

Das ist es eben, daß ich mich nicht fasse, –

Bald zittert sie hinweg vor jenem Bilde,

Das ehmals wie mein Schicksal mich beherrschte.

Ich frage oft der Felsen taube Steine,

Die klaren, rieselnden Gewässer, was

Ich soll beginnen, Echo spricht in Silben,

Die unvernehmlich sind, die Quelle murmelt

Ihr altes Lied nur unverdrossen fort,

Und keines gibt Erleicht'rung meinen Schmerzen!



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